„Unwillkürlich“

„unwillkürlich“
Ein Kommentar (06.05.2014)

Ganz unwillkürlich fiel mir dieses Wort als die für mich einzig mögliche Antwort auf diese Frage ein – die mich schon berührte und betraf, als ich  die „Making of“ Webseite zum Buch  zum ersten Mal aufgerufen hatte.

„Unwillkürlich“ im Sinne von „unabsichtlich, unbewußt, instinktiv“ enthält zugleich das Substantiv „Willkür“ –  das enthüllt, was wirklich passiert bei der unabsichtlichen, unbewußten Weitergabe von unaufgelösten Traumata: das Trauma selbst gibt weiter, was es ausgelöst hat: die ungebremste Gewalt –  noch oberflächlich wie lieblos begründet mit „wen Gott liebt, den züchtig er“ entzieht sich das, was sich immer von Neuem reinszeniert, der Bewusstwerdung….

 Vom Vater

….so erlebt, vollkommen subjektiv, nicht zur Verallgemeinerung taugend, von der Tochter eines Vaters, der 18-jährig noch eingezogen kurz vor Kriegsende fast totgeprügelt wurde und anschließend als Jüngster im polnischen Kriegsgefangenenlager über Jahre Schwerstarbeit verrichten musste „Wir haben für die Verbrechen der Deutschen gebüßt“…

Was tut so eine Tochter, für die es in der Familie keinen geborgenen Ort mehr gibt, weil überall die Angst machende Atmosphäre stereotyper Wiederholungen der immer gleichen schrecklichen Erzählungen sich breitmacht, und alle möglichen Rückzugsorte im Haus keine Sicherheit mehr bieten, weil ein wütender Vater jederzeit ganz spontane „erzieherische Maßnahmen“ für notwendig und erforderlich halten kann…..

Das Kind flieht – in den Wald, mit den Großeltern auf die Felder, sucht Geborgenheit in Märchenwelten, die es für wirklicher hält als die unaushaltbare Situation zuhause, findet Trost bei dem sprichwörtlichen „guten Onkel“, der es letzten Endes für seine eigenen Zwecke missbraucht, und es damit endgültig aus seiner Kinderwelt vertreibt…

Der „gute Onkel“

Der „gute Onkel“ selbst bei Kriegsende aus Schlesien geflohen, gibt sein eigenes Vertreibungstrauma weiter an das Kind, dessen Zufluchtsort er war.

„und am Ende war die Sonne nur ein Stück glühende Kohle, und der Mond ein altes fauliges Stück Holz“ (Zitat aus „Die Geschichte vom armen Kind“ von Georg Büchner)

Das heranwachsende Mädchen bleibt allein. Bemerkt an sich einige sehr befremdliche Symptome,  über die es zu niemandem zu sprechen wagt; die Angst ist viel zu groß, und Träume warnen es, nur ja nicht den Psychiatern zu vertrauen – niemand würde ihm helfen können, außer es sich selbst.

Das Mädchen

Es fängt an zu fragen. Fragt schürfend bohrend sich in sich hinein, konzentriert sich auf dieses unbekannte Wesen tief in seinem Inneren…..es kommen Bilder, Wörter, Schreie, zusammenhanglos zunächst, schließlich kleine Filme von irgendwoher.

Sätze dann, poetisch anmutende Gebilde, immer mit Pointe, ganz einfache Handlungsanweisungen

„Ja steige nur hinunter in Deinen Abgrund…..

oder

„Ja, das ist das beste Wort von allen

Das nimmt dem Schmerz das Messer aus der Hand

Macht zum Bruder jeden Feind

Ja – das ist die Freiheit, die ich meine.“

 

Echtes Fühlen, Sturzbäche von Tränen kommen erst Jahre später – zusammen mit den seltenen Menschen, die imstande sind, die Grenzen zur bis dahin angstvoll abgeriegelten Innenwelt zu überwinden.

So war das, so ist das.

Eine Urkraft des Überleben– und Fruchtbar-werden-Wollens, des Wieder-heil-werden-Wollens wirkt hier bis heute….in langen Jahren therapeutischer Begleitung war es doch die schöpferische Kraft der Poesie, die verschlossene Räume entriegelt und angstfreie Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnet hat.

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